Sie
dreht sich um sie, die Welt.
Wieder
einmal, und immer noch.
Schon
vor Stunden hat sie die Kontrolle über den Kreisel verloren, der ihre Welt darstellt.
Sie
sitzt am Küchentisch und lauscht seinem Summen.
Der
Kontrollverlust ist schnell erklärt.
Raue
Mengen Alkohol und selbst verschriebenes, quasi pharmazeutisches Marihuana.
Der
Geruch liegt noch in der Luft, wie ein schweres, bitteres Parfum, das von
Verlorenheit, Einsamkeit und Niederlage zeugt.
Ein
Duft, den man nur zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten und anderen Trauertagen
auflegt.
Ein
Duft, den sie beinahe täglich trägt.
Sie
sitzt am Küchentisch, ihr gegenüber der Duft.
Sie
schauen sich in die Augen, nicken sich zu.
Kommunizieren
miteinander, nichtssagend.
Man
kann nicht nicht kommunizieren, denkt sie sich. Der Duft nickt. Der Kreisel
summt.
Sie
schüttelt den Kopf. Schwachsinn, murmelt sie. Wieder nickt der Duft zustimmend.
Der
Kreisel, ihr Kreisel, hört nicht zu.
Er
summt durch den Raum, über die blassblaue Plastiktischdecke, an den Wänden
entlang, und denkt sich seinen Teil.
Oder
auch nicht.
Die
blassblaue Plastiktischdecke, sie weist Spuren auf.
Flecken,
rot wie Blut, wie Wein.
Sie
hasst Wein.
Sie
sitzt am Tisch, vor der blassblauen Plastiktischdecke mit den Weinblutflecken,
dem Cannabisduft gegenüber, und hasst Wein.
Der
Kreisel ist im Nebenzimmer, summt dort leise, und kichert.
In
ihrem Kopf spielt ein Lied, sie hört jedoch nicht hin.
Es ist
nicht ihr Lied; nicht das Lied, zu dem sie tanzt. Abend für Abend.
Nicht
das Lied, zu dem sie sich dreht; nicht das Lied, zu dem das Kleid weht.
Das
Kleid in der Ecke, neben dem Küchenschrank.
Ein
blutroter Fetzen Elend, bei seinem Anblick überkommt sie Hass.
Nicht
auf das Kleid, nicht auf den Tanz.
Sie
liebt den Tanz, und sie liebt die Musik.
Doch
sie verabscheut ihr Leben.
Mehr
noch als den Wein.
Da
sitzt sie, noch immer, seit Stunden.
Ihre Welt
dreht sich um sie, mal hier, mal im Nebenzimmer.
Ziemlich
sicher sowohl hier als auch dort.
Die
blassblaue Plastiktischdecke schaut sie vorwurfsvoll an, erfragt harsch den
Grund des sinnlosen Gemetzels.
Beruhigend
redet der Duft auf sie ein, Tischdecke schweig, sie wollte es nicht.
Lass
sie, Tischdecke. Ihres ist es nicht, zu säubern und zu korrigieren. Ihres ist
es, zu tanzen.
Denn
sie ist die Tänzerin.
Denn
du bist die Tänzerin, Mädchen.
Ein
kalter Luftzug dringt durch das Fenster hinein, schmiegt sich unter die
Tischdecke.
Schmiegt
sich an ihre nackten Arme, ihre Schultern, ihr Genick.
Streichelt,
liebkost ihren Rücken, die herausstehenden Wirbel unter dem Top.
Eine
Zigarette zwischen ihren fragilen Fingern, bestimmt schon die Fünfzehnte heute.
Doch
sie raucht sie nicht, sie starrt sie bloß an.
Beobachtet,
wie das Feuer den Tabak verzehrt.
Fühlt,
wie die Entropie ihre Finger wärmt.
Ihr
Blick fällt erneut auf das Kleid.
Denn
du bist die Tänzerin.
Denn
ich bin die Tänzerin.
Doch
ich bin auch die Entropie.
Ich
bin der Kreisel, der sich um mich herum dreht.
Die blassblaue
Plastiktischdecke, das Opfer meines nächtlichen Gemetzels.
Ich
bin die Wunden meiner Seele, ich bin meine Narben.
Ich
bin der Alkohol in meinem Blut.
Ich
bin das Trauertagsparfum, das ich kaum ablegen kann, ohne zu kollabieren.
Ich
bin kalter Rauch, verschmierte Wimperntusche, malerische Tristesse.
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