R E C E N T

Kirschblütenfrost

Viel zu lange, und doch erst einen Moment, ist sie bereits auf dieser Suche. Auf dieser Suche nach einem nicht ganz greifbaren Etwas, das si...

2/21/2017

"Über Lebensziele. Und Worte."

„Dazu müssen Sie erst an mir vorbei!“, donnere ich grimmig und lasse den Besenstiel etwas härter als beabsichtigt gegen die Wand neben mir schlagen. Ich nehme Verteidigungsposition ein, leicht werde ich es ihr nicht machen, das kann sie vergessen. Komm doch her, denke ich mir und verziehe keine Miene. Jedoch muss ich innerlich lächeln... und genieße den Moment, denn „dazu müssen Sie erst an mir vorbei“ war einer dieser Sätze, die ich schon immer mal hatte sagen wollen. In etwa so wie „ich bringe diese Kinder jetzt in Sicherheit“ oder „ein Sturm zieht auf“.
Dies war er also.
So fühlte es sich also an.
Mein Moment, er war endlich gekommen. Ich sonne mich innerlich, lasse heroische Musik in meinem Kopf ertönen und spüre, wie mein Blut in Wallung gerät. Was noch von diesem vorbeiziehenden Moment übrig ist, atme ich regelrecht und möglichst tief ein, um mich für immer daran zu erinnern. Ich hatte eines meiner Lebensziele erfüllt – und das völlig unvorbereitet an einem Dienstag Nachmittag. Davon würde ich noch meinen Enkeln erzählen – sollte ich dazu denn noch die Möglichkeit bekommen.
„Und dann?“
Die Worte der jungen Frau vor mir reißen mich harsch in die Realität zurück. Die Musik stoppt abrupt, ich verlasse mein sonniges Plateau, verschlucke mich an meinem eigenem, übermäßig tiefem Atemzug und habe plötzlich nur noch verdammt heiß.
„Entschuldigung?“ Mein Gegenüber starrt mich immer noch an, sie wirkt verschüchtert. Ich lockere meine Körperhaltung. „Dazu müssen Sie erst an mir vorbei“, wiederhole ich ruhig, verabschiede innerlich den Moment, und fahre dann fort. „Am Ende des Ganges durch die Tür und die Treppe hoch. Oben dann einfach den Gang entlang, die Tür zur Turnhalle ist auf der rechten Seite. Sie können sie nicht verfehlen, es steht sogar dran. Darin finden Sie dann auch ihre Tochter.“
„Danke“, sagt die junge Frau und lächelt mir flüchtig zu, als sie an mir vorbei geht.
Gern geschehen, denke ich leise. Einen Moment lang stehe ich unschlüssig herum. So kann es also sein, denke ich mir. Hier stehe ich, kehre den Flur zur Mäusegruppe und erfülle dabei eben mal so eins meiner Lebensziele. Ich habe mir die Situation zwar anders vorgestellt – aber letztendlich konnte ich meinen Traum erfüllen. Meine Worte sagen.
Und wurde sogar noch von einer schönen Frau angelächelt.
Worte, denke ich.
„Namen sind Schall und Rauch“, heißt es doch. Und genauer betrachtet sind Worte auch nur Namen. Sie bedeuten nichts, und dann doch wieder alles.
Vielleicht sollten wir wieder anfangen, das Große im Kleinen zu sehen, anstatt es nur im weit Entfernten, Unerreichbaren zu suchen. Wie sagt man hier so schön? Großes entsteht immer im Kleinen. Nehmen wir uns das doch zu Herzen. Dann können wir bestimmt alle ein bisschen glücklicher sein.
Ich sammele mich und kehre weiter.

Worte, denke ich mir und muss lächeln. Dieses Mal sichtbar.

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